eine Weihnachtsgeschichte

Als ich heute Morgen eine Weihnachtsgeschichte zum Vorlesen gesucht habe, bin ich auf diese schöne Geschichte gestoßen, die ich gerne mit euch teilen möchte:

Das wärmende Licht

Die Gesichter derer, die entgegenkommen, sind wenig weihnachtlich gestimmt. Eher sehen sie abgehetzt und müde aus, erloschene Alltagsgesichter, manchmal sogar stumpf und leer.

So schlängelt sich auch Katharina gleichgültig durch den Supermarkt. Sie hat den Einkaufswagen gefüllt und sieht, dass sie für die Kasse Geduld braucht, denn an allen stehen Kunden Schlange. Vor ihr steht ein etwa achtjähriges Mädchen, dass schließlich nur drei Dosen Ravioli aufs Band legt. Dafür aber scheint das abgezählte Geld nicht auszureichen.

„Tut mir leid, kleines Fräulein“, ist die Kassiererin zu hören, „eine Dose muss hier bleiben.“ Erschrocken schaut die Kleine auf. Doch die eher teilnahmslose Katharina hört sich sagen: „Ich zahle den Fehlbetrag.“

Diese lächerlich geringe Summe! Sie schiebt der Kassiererin das Geld hin, legt dann ihre Sachen aufs Band und achtet nicht weiter auf das Kind. Sie hat nur sein leises „Danke“ mitbekommen.

Als sie das Geschäft verlässt, hat sie die ganze Sache schon vergessen, aber das Mädchen wartet draußen auf sie. Schüchtern tritt es näher und sagt mit einem zaghaften Lächeln auf den Lippen: “Warten Sie, ich möchte Ihnen etwas geben.“

Dann stellt die Kleine die drei Dosen ab, streift den schweren Schulranzen von den Schultern und holt daraus ein seltsames Gebilde hervor: “Das haben wir heute in der Schule gebastelt. Es ist nicht besonders gut geworden, aber die Kerze brennt auf jeden Fall.“

Katharina empfängt eine ausgehölte Wallnussschale, bestückt mit winzigen Tannenzweigen und einer dünnen goldfarbenen Kerze.

Katharina, jetzt ganz wach, verspürt ein Würgen in der Kehle. Kaum ist es her, da hat sie zum Geburtstag ein sündhaft teures Armband geschenkt bekommen und allzu leicht und glatt war ihr das „Danke!“ über die Lippen gekommen. Und nun hält sie eine simple Nussschale in ihrer Hand. Es arbeitet in ihr, sodass ihr die Worte fast im Halse stecken bleiben als sie sagt: „Es ist wunderschön…!“

Die Augen des Mädchens leuchten auf. Katharina nimmt dieses Leuchten mit nach Hause und bewahrt es in sich. Sie weiß, sie müsste jetzt Kartoffeln schälen und das Mittagessen zubereiten; aber sie stellt behutsam die wackelige „Adventsschale“ vor sich auf den Küchentisch und zündet die Kerze an. Sie setzt sich und schaut ins Licht. Das weiche, warme Licht spiegelt sich in ihren Augen – auch dann noch, als die Flamme längst erloschen ist.

                                                                                                                               Renate Dopathea

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